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Am gestrigen Donnerstag ist wiederholt vor dem Berliner Amtsgericht eine Person verurteilt worden, weil die rigiden Einlasskontrollen ein verspätetes Erscheinen verursachten. Die Umweltaktivistin Franziska sollte sich aufgrund einer Anti-Gentechnik-Aktion aus dem Jahr 2009 gegen den Vorwurf des Hausfriedensbruchs verteidigen — stattdessen wurde sie in Abwesenheit verurteilt.

Franziska erreichte den Verhandlungssaal im Amtsgericht Tiergarten mit
Verspätung, obwohl sie bereits deutlich vor Verhandlungsbeginn am
Gericht war. Über 25 Minuten war sie bei den Einlasskontrollen des
Gerichts aufgehalten worden. Die Richterin verwarf daraufhin Franziskas
Einspruch gegen den Strafbefehl, obwohl sie darüber informiert war, dass
diese sich aufgrund der aufwendigen Kontrollen verspätete. Damit ist die
Aktivistin zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt.

Der Hintergrund des Prozesses sind die Aktionstage gegen grüne
Gentechnik, die im Sommer 2009 in Berlin stattfanden. In deren Rahmen
sollte vor dem Julius-Kühn-Institut (JKI) ein Transparent von
Kletternden aufgehängt werden. Franziska, die diese Aktion vom Boden aus
beobachtete, wurde des Hausfriedensbruchs beschuldigt. Während die
Verfahren gegen die Kletternden und weitere Personen vor geraumer Zeit
eingestellt wurden, wurde gegen Franziska bis gestern prozessiert. Nach
ihrem Einspruch gegen einen Strafbefehl gab es bereits im vergangenen
Jahr zwei Verhandlungstage gegen die Aktivistin, an denen es allerdings
nicht zu einer Erörterung des Vorwurfs kam.

Obwohl der zuständigen Richterin Greiff mitgeteilt wurde, dass die
Angeklagte noch in den Einlasskontrollen aufgehalten wurde, erklärte
diese gestern um 09:15 Uhr, die Beschuldigte sei nicht zur
Hauptverhandlung erschienen und verwarf Franziskas Einspruch. Eine
Minute später erreichte die Aktivistin den Verhandlungssaal. Auf deren
ungläubige Rückfragen reagierte Richterin Greiff mit der Äußerung, es
stünde ihr frei Rechtsmittel einzulegen, sie mache hier allerdings
“keine Rechtsberatung”. Anschließend ordnete sie an, den Saal räumen zu
lassen.

Dies ist kein Einzelfall. Bereits im vergangenen Jahr hatte der
Politaktivist Jörg Bergstedt gegen seine Verurteilung in einem
politischen Strafverfahren, infolge seiner durch die Kontrollen
verursachten Verspätung, geklagt. Die Zurückweisung seiner Klage wurde
unter anderem damit begründet, dass kein Rechtsschutzinteresse bestünde,
da es sich um einen Einzelfall handeln würde, bei dem keine
Wiederholungsgefahr bestehe. Der damals Verurteilte, dann Kläger vor dem
Verwaltungsgericht, protestierte schon damals gegen diese Wertung -
erfolglos.

“Offensichtlich werden am Amtsgericht Tiergarten die Eingangskontrollen
als Mittel benutzt, besonders unbequeme Angeklagte möglichst schnell und
ohne öffentliche Verhandlung zu verurteilen.” , so eine
Prozessbeobachterin. Gründe dafür lägen auf der Hand: “Das Gericht fühlt
sich durch Angeklagte, die sich nicht wie üblich in einer schnellen ca.
halbstündigen Verhandlung aburteilen lassen, sondern sich mit Anträgen
und Öffentlichkeitsarbeit zu den politischen Hintergründen der ihnen
vorgeworfenen Taten zur Wehr setzen, offenkundig gestört.”

Franziska plant, Rechtsmittel gegen den Ablauf ihrer Verurteilung
einzulegen. “Aus naheliegenden Gründen verspreche ich mir nicht viel von
der Ausschöpfung des Rechtsweges . Aber ich kann auch nicht akzeptieren,
dass ich für gesellschaftliches Engagement kriminalisiert werde. Diesen
Vorgang will ich so weit wie möglich erschweren!”

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Title: Excessive court entrance controls in Berlin-Tiergarten
Subtitle: Activist judged in absence